Mit dem Elettrica steuert Ferrari in die elektrische Zukunft

Benedetto Vigna bleibt gelassen. Während andere Hersteller – darunter Porsche, Lamborghini und Mercedes – ihre Elektroprojekte verschieben oder stoppen, zieht Ferrari seinen Kurs konsequent durch. „2026 ist der richtige Zeitpunkt für den Ferrari Elettrica“, sagt der Vorstandschef und zieht einen historischen Vergleich: 1947 baute Enzo Ferrari sein erstes Auto, einen Zwölfzylinder. „Damals gab es nur einen weiteren Hersteller mit einem Zwölfzylinder. Wenige Jahre später war Ferrari der einzige.“ Wie der Firmengründer selbst schaue er „nicht auf die Konkurrenz, sondern nach vorn“. Der Elettrica, so Vigna, werde neue Kundengruppen erschließen.

Das ist auch nötig, denn viele langjährige Ferrari-Enthusiasten zweifeln, ob ein Elektroauto den Geist der Marke verkörpern kann. Um diese Skepsis zu entkräften, gewährte Ferrari in Maranello erstmals technische Einblicke. Die Eckdaten beeindrucken: über 736 kW (1000 PS), vier Motoren, 8000 Newtonmeter Drehmoment an der Hinter- und 3500 Newtonmeter an der Vorderachse. Das sind Werte, die selbst in der Welt der Elektromobilität bemerkenswert sind – auch wenn ähnlich starke Modelle inzwischen aus den USA, China und Deutschland kommen.

Ferrari setzt den Schwerpunkt dennoch anders. „Entscheidend ist nicht die Längs-, sondern die Querbeschleunigung“, erklärt Entwicklungschef Gianmaria Fulgenzi. Geradeaus schnell zu fahren sei leicht – Kurvendynamik sei die eigentliche Kunst. Der Elettrica soll in 2,5 Sekunden auf 100 km/h sprinten, 310 km/h erreichen und über 500 Kilometer weit fahren. Besonderes Augenmerk legten die Ingenieure auf das Fahrwerk: Das aktive 48-Volt-System, eine Weiterentwicklung aus Purosangue und F80, wird mit einer Hinterradlenkung mit adaptiver Federung kombiniert. Elektromotoren und Kugelgewindespindeln gleichen Karosserieneigungen in Echtzeit aus. Eine zentrale Steuerung analysiert 200-mal pro Sekunde sämtliche Fahrparameter und passt Federung, Traktion und Lenkung kontinuierlich an. Über Schaltwippen am Lenkrad lassen sich fünf Leistungsstufen und verschiedene Rekuperationsstärken anwählen.

Ferrari hat für den Elettrica rund 60 Patente angemeldet. Die Elektromotoren entstehen komplett im eigenen Haus. Die Rotoren der permanenterregten Synchronmaschinen sind mit Carbon umwickelt, um Drehzahlen von bis zu 30.000 U/min standzuhalten. Mit einer Leistungsdichte von 3,23 kW/kg und einem Wirkungsgrad von 93 Prozent setzen die Aggregate Maßstäbe – Werte, die kein Zwölfzylinder erreicht.

Damit dennoch Emotionen nicht fehlen, hat Ferrari den Klang des Antriebs technisch aufbereitet. Ein Sensor erfasst die mechanischen Vibrationen der E-Achsen und überträgt sie verstärkt in den Innenraum. So entsteht ein authentisches Klangbild, das den Fahrer über die abgerufene Leistung informiert – ähnlich wie bei einem Verbrennungsmotor. Bei der Konzeption orientierten sich die Ingenieure am Purosangue, Ferraris erstem viertürigen Modell. Auch der Elettrica soll vier Türen haben und der bislang alltagstauglichste Ferrari werden. Das Hauptproblem sportlicher Elektroautos – das hohe Batteriegewicht – will Ferrari durch den Einsatz von größtenteils recyceltem Aluminium entschärfen. Ziel ist ein Fahrzeuggewicht nur leicht über dem des Purosangue: 2300 Kilogramm.

Die Batterie nutzt NMC-Zellen des südkoreanischen Herstellers SK und ist im Fahrzeugboden integriert. Dadurch liegt der Schwerpunkt 80 Millimeter tiefer als beim Purosangue. Sie besteht aus 15 Modulen, die in einem separaten Gehäuse untergebracht und bei Bedarf einfach austauschbar sind. „Ein Ferrari sollte ewig halten“, sagt eine Ingenieurin – das gelte auch für den Elettrica.

Für das Design holte sich Ferrari Unterstützung aus den USA: Der Elettrica entstand im Studio des früheren Apple-Chefdesigners Jony Ive, der auch das i-Phone und die Apple Watch entworfen hat. Dennoch bleibt das Fahrzeug klar ein Ferrari – Software und Bedienkonzept orientieren sich an den übrigen Modellen der Marke.

Die offizielle Weltpremiere des Autos ist für das Frühjahr 2026 geplant. Ferrari setzt dabei stärker als je zuvor auf Zukunftstechnologie. In die Entwicklung des Elettrica floss mehr Aufwand als in jedes andere Modell zuvor, betont Vigna. Das wirtschaftliche Risiko hält sich dennoch in Grenzen: Ferrari gilt als profitabelste Automarke der Welt. Laut Car Industry Analysis erzielt das Unternehmen mit einem einzelnen Fahrzeug so viel Gewinn wie Porsche mit 24, Mercedes mit 47 und BMW mit 58 Autos. Selbst wenn der Elettrica hinter den Verkaufserwartungen bliebe, wäre das finanziell verkraftbar. Auch in diesem Punkt zeigt sich Vigna unerschütterlich – ganz im Stil von Enzo Ferrari. (aum)


Bilder zum Artikel

Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Die Plattform des Ferrari Elettrica.

Die Plattform des Ferrari Elettrica.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Antrieb des Ferrari Elettrica.

Antrieb des Ferrari Elettrica.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Batterie des Ferrari Elettrica.

Batterie des Ferrari Elettrica.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Achse des Ferrari Elettrica.

Achse des Ferrari Elettrica.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Die Plattform des Ferrari Elettrica.

Die Plattform des Ferrari Elettrica.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Antrieb des Ferrari Elettrica.

Antrieb des Ferrari Elettrica.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Achse des Ferrari Elettrica.

Achse des Ferrari Elettrica.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Batterie des Ferrari Elettrica.

Batterie des Ferrari Elettrica.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität


Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Produktion der Komponenten des Ferrari Elettrica in Maranello.

Photo: Ferrari via Autoren-Union Mobilität